Am Südrand: Triester

Martin Behr / Martin Osterider

„Triester“

Seit 2003 werden von den Künstlern Martin Behr und Martin Osterider unabhängig voneinander in regelmäßigen Abständen fotografische Streifzüge durch die gleichnamige Siedlung im Grazer Stadtteil Gries unternommen, in dem die beiden aufwuchsen. Sie folgen dabei zwei Wegen, die die beiden in der Kindheit oftmals, aber unabhängig voneinander mit ihren Eltern und Verwandten gegangen sind: die »lange« oder die »kurze« Runde. Durch das fotografische Erkunden auf autobiografischen Spuren werden in dem mittlerweile tausende Fotos umfassenden Bildarchiv auf unsentimentale Weise urbane, soziale, kulturelle und gesellschaftspolitische Veränderungen dokumentiert.

Es geht bei »Triester« nicht um einen stadtromantischen oder kulturpessimistischen Ansatz, vielmehr kommt in dieser unabgeschlossenen fotografischen Dokumentation ein Interesse an den Brüchen zwischen Erinnerung, Erfahrung, Geschichte und Gegenwart, zwischen Politik und subjektiver Wahrnehmung zum Ausdruck: Die Umgebung entlang der Wege und Straßen, der Wildwuchs in den Brachen, die Gemeindebauten und deren Innenhöfe, die aufgelassenen Tankstellen und die Wettcafes, in denen früher einmal Gemischtwarenhändler untergebracht waren, die Graffitis, die Sprache der Werbung, die im Jahreslauf geschmückten Wohnungen und noch vieles mehr.

»Triester« ist ein auch im internationalen Vergleich seltenes Langzeitprojekt der Dokumentation eines Stadtteils, ein Forschungsprojekt, das keinem Forschungsansatz folgt, aber im Akt des Flanierens und Beobachtens eine langfristige Vermessung und Neuvermessung sozialer Terrains vornimmt.

 Reinhard Braun