WELCOME BACK! - Pula goes MS Schaumbad/ MS Schaumbad goes Pula revisitedEröffnung: Fr. 26.8.2011, 20:00 Uhr Konzert: Eva Ursprung (Graz) / Marko Grbac Knapic (Pula)
KünstlerInnen aus Pula in Graz:
Hassan Abdelghani (Fotografie), Robert Pauletta (Malerei), Dejan Štifanić (Fotografie), Bojan Šumonja (Malerei), Marko Grbac Knapić (Klanginstallation), Sandra Vitaljić (Fotografie) KünstlerInnen der MS Schaumbad - Arbeiten zu Pula:
Robert Findenig, Max Gansberger, Alexandra Gschiel, Elisabeth Gschiel, Michael Maier, Igor Petkovic, Heimo Ranzenbacher, Robert Riedl/Lili Popp, Klaus Schrefler, Edda Strobl / Helmut Kaplan (Tonto), Eva Ursprung, Kathrin Velik, Markus Wilfling, zweite liga für kunst und kultur
Die eingeladenen KünstlerInnen aus Pula fallen schon seit längerem durch ihren Bezug zu einem breiteren sozialen Kontext auf. Die ausgestellten Arbeiten beziehen sich sehr kohärent auf die Darstellung des kulturgeschichtlichen Hintergrundes ihrer Stadt bzw. ihres Landes. Diese Geschichte ist der gemeinsame Faden, der die KünstlerInnen nicht nur miteinander verbindet, er zieht sich auch durch die gemeinsame Ausstellung in Graz. Die Zeit der österreichischen Verwaltung hat in jedem Segment des urbanen Lebens Pulas unverwischbare Spuren hinterlassen. Das gilt für jegliche Form des bürgerlichen und zivilisatorischen Erbes: das industrielle ebenso wie das technologisch-innovative, architektonische, wirtschaftliche etc. Der Fortschritt ist nicht nur materiell - die historischen Gegebenheiten begründeten auch einen nicht-materiellen Diskurs, in dem sich kulturbezogene Institutionen entwickelt haben: Rechtssystem, Schulen, Verwaltungswesen, künstlerische Tätigkeiten, Mehrsprachigkeit, gesellschaftliche Offenheit und anderes. Manche der KünstlerInnen treten das Erbe offen an und übernehmen unmittelbar die noch lebenden Segmente dieses Vermächtnisses, während es ein Teil der vertretenen KünstlerInnen sublimiert und mit den verbliebenen Elementen des künstlerischen Ausdrucks kombiniert. Sandra Vitaljić (Fotografie) Neplodna tla / Infertile Grounds / Unfruchtbare Böden Die Landschaften auf den Fotografien dieser Reihe sind mit traumatischen Erlebnissen, historischen Ereignissen und der menschlichen Erfahrung verknüpft. Die ausgewählten Orte sind nicht nur schöne Landschaften, sondern Orte, die aufgrund ihres geschichtlichen Kontexts auf verschiedene Weise und mit starker, ausdrucksvoller Symbolik die nationale Identität mitkreiert haben. Die Wälder, Felder oder Flüsse sind ein Teil der Volksmärchen und Mythen, aber sie sind auch Teil der politischen Rhetorik, die den Systemen und Ideologien Legitimität verliehen hat. Die Bedeutung ändert sich mit den Umständen und durch die Geschehnisse, unabhängig von der Tatsache, dass die Landschaft mit oder ohne Einwirkung des Menschen gleich und beständig bleibt. Einige dieser Orte sind allgemein bekannt und jeder Bewohner Kroatiens wird automatisch bei der Interpretation der Fotografien den Ballast des Allgemeinwissens und der Mediendarstellung einschalten. Andere Orte sind erst jetzt entdeckt worden, obwohl die Exekutionen von Menschen in diesen Gegenden unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden haben. Über diese Geschehnisse wurde bis zum politischen Systemwechsel nicht gesprochen, und noch heute ist dieses Thema tabu. Auch wenn die Leichen auf den Fotografien nicht sichtbar sind, sind sie doch in der Vorstellung und im Alltag existent. Die Zahl der Opfer wurde schon immer zu politischen Zwecken manipuliert. Im Jugoslawienkrieg 1990 wurden die Opfer des Zweiten Weltkriegs in politischen Reden wieder belebt und als Aufruf zum Krieg benutzt. Alle Seiten, die in diesen Krieg involviert waren, haben Kriegsverbrechen und Greueltaten begangen, aber kein Land will sich die Schuld eingestehen. Die Fotografien zeigen auch Stellen, an denen nie Denkmäler stehen werden. Sie werden so zu einer Art Markierung, um diese Opfer nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Der Name der Reihe „Neploda tla“ knüpft an die Unfähigkeit der Menschen an, sich mit den Geistern der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Der Mensch kommt nicht aus dem Teufelskreis des Hasses und der gegenseitigen Beschuldigungen heraus. Dejan Štifanić (Fotografie) Diese Arbeit bezieht sich sehr politisch auf die Ex-Militärzone in einer Bucht von Pula. Das attraktive Gelände am Meer ist für die Bürger nicht betretbar. Die politischen Entscheidungsträger von Istrien planen, dieses Stück Land und Meer zu verkaufen oder es für 66 Jahre (also für immer) in Konzession zu stellen. Das Foto und der dazugehörige Text (in drei Sprachen) nimmt eine Haltung gegen das „one way thinking“ ein, dass uns nur der Tourismus aus der Rezession befreien kann. Marko Grbac Knapić (Klanginstallation) Pula war kulturgeschichtlich schon immer mit Österreich verbunden. Im 19. Jahrhundert diente sie als Haupt-Militärstützpunkt der österreichisch-ungarischen Flotte an der Adria. Damals wurden viele Militär- und Zivilgebäude errichtet, von denen manche noch immer in administrativer bzw. verwaltungsbehördlicher Funktion der zivilen Gesellschaft stehen. Die meisten Militärgebäude sind heute jedoch verlassen. So war auch das Gebäude des heutigen „Rojc“, dem Zentrum vieler lokaler Gruppierungen, bis 1998 leer. Mit dem Einzug der Kultur in die verlassenen und verwüsten Räumlichkeiten bekam das Gebäude neuen Inhalt und eine neue Identität. Heute ist es der Hauptgenerator der Kultur in der Stadt Pula. Es beherbergt mehr als hundert sehr unterschiedliche Verbände, es finden Konzerte, Lesungen, Projektionen und Ausstellungen statt, außerdem ist es der Sitz der aktivistischen Szene Pulas. Hier arbeiten Musiker verschiedenster Stilrichtungen, von Punk, elektronischer Musik bis zu Jazzmusik und Blasorchestern. Als Nutzer dieser Räumlichkeiten im „Rojc“ beeindrucken mich oftmals die Geräusche, die durch das offene Fenster hereinströmen. Die von den anderen Musikern produzierten Laute, Geräusche und Töne habe ich oft aufgenommen. Diese „Kakophonie“ und die Geräusche aus der Umgebung haben innerhalb des akustisch spezifischen Atriums ein einmaliges Klangbild erzeugt, das mit der Stille und den Geräuschen aus der Natur in den verlassenen Räumen der österreichisch-ungarischen Festungen kontrastiert wird. Hassan Abdelghani (Fotografie) Sa Distance/“From a Distance” Abdelghani nähert sich der gemeinsamen Geschichte, indem er zuerst die Städte der Toten besuchte. Die lange verblichenen Gesichter von Pula und Judenburg, vermischt in ihren übereinstimmenden Schicksalen und Toden, werden im Universellen Leben nach dem Leben durch Palimpseste und keramische Portrait-Ovale wiederbelebt. Er beschloss, diese so hingebungsvoll zu photographieren, als würde er die Portraits neu gestalten.Was erkannte der Künstler in diesen Portraits der Portraits aus seiner photographischen Distanz? Er entdeckte die Duplizität – die Fähigkeit, das Leben durch den Tod zu umschreiben.
Er erkannte die vibrierende Stadt, die in der toten Stadt atmet und umgekehrt die Stadt der Toten, die in der lebenden pulsiert. Die photographierten Bilder - Portraits von Portraits - führten zu seinem Entschluss, jeden Augenblick einzufangen. Ein Leben nach dem anderen. Den Tod fortsetzen, der lebt. Oxymoron: Ein lebender Tod. Portraits von Grabsteinen aus der gemeinsamen Geschichte, ein junger österreich-ungarischer Soldat(begraben neben dem Mädchen im weißen Kleid), dessen Leben ein Schicksalsfaden statt als Bohemien in der schicken Welt von Paris als Nachleben beginnen ließ, das als einziges erhaltenes Selbstportrait weiterlebt – eine Photographie, die von einem schmutzverkrusteten Zelluloidfilm aus den Schützengräben von Galizien stammt. (Paola Orlic, aus dem Englischen von Sabrina Mašek / LIQUID MUSIC) Robert Pauletta (Malerei) Robert Pauletta ist der Autor eines komplexen, oft kontroversen und polemischen Oeuvres, dem er mit unterschiedlichen Medienzugängen und Arbeitsverfahren gegenübersteht. Seine Ausstellungen werden von der Kritik als die Rückkehr zur wahren Malerei klassifiziert. Seine neueren Arbeiten entstanden durch die Sublimierung seiner Erfahrungen, als Resultat seiner vorherigen künstlerischen Vorhaben. Im Gemäldezyklus „Pittura Nera“ hat Pauletta seine eigene Figur multipliziert und in der Manier der klassischen Porträtmalerei behandelt, wobei er einen paradoxen Psychologismus hervorruft. Auf der anderen Seite hat sich Pauletta engagiert mit der Fotografie beschäftigt, beziehungsweise mit Werbebotschaften, die immer eine starke sozial-politische Konnotation haben. Malerei ist etwas sehr intimes, so dass uns Pauletta dieses Mal mit entschlossenem Reduktionismus und einer wortgewandten Prägnanz in seine Welt der Selbstprüfung und der Konfrontation mit sich selbst entführt. Fern von jedem Narzissmus, an welchem der naive Beobachter festhalten könnte, ist dies vor allem ein autobiografisches Schaffen, in dem uns der Künstler sich selbst in seiner Umgebung erklärt. Eine der sichtbarsten Charakteristiken der heutigen Zeit ist der Verlust der Persönlichkeit und ihrer Originalität, wodurch jeder intime Akt, wenn es auch nur das Malen von Selbstporträts ist, zu einer engagierten politischen Haltung wird. Der Zyklus „Sasvim Sam“ (Ganz allein) versteht sich als ein Zeugnis der Zeit. Jahre der künstlerischen Erfahrung, wie auch die Selbsterkenntnis des Künstlers haben ihn in seine klassische Phase geführt. Diese kann somit als (vorläufiger) Endpunkt eines abgerundeten, wenn auch ein wenig hermetischen Malzyklus interpretiert werden. Die Besonderheit der Kunst liegt in der Möglichkeit, dass wir uns in anderen erkennen können und ihr Schicksal, wenn nur für kurze Zeit, unseres wird.
Bojan Šumonja (Malerei) Die malerische Ausdrucksweise von Bojan Šumonja ist eklektischer Natur, basierend auf die malerische Tradition und Kunstgeschichte, angelehnt an die große „Pittura“. Bei Šumonja stoßen wir auf ein breites Referenzregister, angefangen bei der expressiven Figuration, über Zitate aus der visuellen Kultur, heimische Traditionen, bis zum Stimulus aus seiner unmittelbarer Umgebung und Details aus dem Alltagsleben. Er greift auf postmodernistische Mittel zurück, wobei er sich oft der Ironie, Paraphrase, Persiflage, dem Kitsch, Rätsel, der Trivialität und dem Spiel bedient. Auf den Beobachter wirken seine Gemälde oftmals wie verdrehte, bizarre, wunderliche und ironische Allegorien. Die Schafherde ist das einzige Motiv und bedeckt die ganze Fläche seiner Leinwand. In der Perspektive des akzentuierten Vordergrunds scheint es, als ob die Schafe aus dem Rahmen fallen würden, während die Landschaft in der Ferne nur leicht, durch die unfüllige blaue Farbe, angedeutet wird. In der Variation und der Wiederholung des einzigartigen Motivs der Schafherde, wie in der Umrahmung und Komposition erkennen wir Einflüsse der Medien Film und Fotografie. Außerdem ist das technologische Bewusstsein und die Gegenwart digitaler Bildbearbeitungsprogramme durch Marken wie X I _ für das Öffnen und Schließen von „Fenstern“, oder Textelemente, wie novo_ovce2, Kolorite, Negativ-Effekte, etc., gut erkennbar. Mit dem Effekt des Kontrasts zwischen Schwarz und Weiß, zwischen der weißen Schafswolle und dem grau-schwarzen Schatten, welcher auch in der Schwarzweißfotografie existiert, wird die pastorale Idylle durch die Atmosphäre leichter Unruhe und Unsicherheit in unserer Alltagsrealität getrübt. Die Medien und die heutige politische Heuchelei verwandeln uns in Schafe.
KünstlerInnen der MS Schaumbad Arbeiten zu Pula, anlässlich der Ausstellung „Welcome Back“ in der Galerie MAKINA und im Rojc, 4.-20.5.2011, Pula Die MS Schaumbad hat den ehemaligen Hauptkriegshafen Österreichs entdeckt und brach mit künstlerischer Fracht nach Pula auf, um gemeinsame kulturelle Wurzeln und aktuelle Verflechtungen zu erforschen: leer stehende, ehemals österreichische Festungen und Kasernen, die noch immer auf Hochtouren arbeitende Werft "Uljanik", oder eine ehemalige k.u.k. Militärschule, die seit 1998 kostenlos lokalen KünstlerInnen und NGOs zur Verfügung steht und sich seitdem zum kulturellen Zentrum der Stadt entwickelt hat. Die Strände außerhalb der Stadt gehören zum Teil – wieder – zu Österreich: Im Dezember 2000 kaufte die Hypo Alpe-Adria riesige Landstriche an der Küste, die "Riviera von Brioni". Dieses Gebiet wird nun von Igor F. Petkovic in seiner Fotoserie landnahme in österreichischen Besitz übergeführt: in einer inszenierten Fotoserie wird die österreichische Fahne an den Objekten wirtschaftlicher Begierden gehisst, weitere Objekte in der Stadt fallen dem künstlerischen Monopoly zum Opfer. Durch geschickte Verflechtung von staatsnahem Kapital, smartem Business und alten Freunden hat Österreich wieder Zugang zum Meer. Welcome back! Elisabeth Gschiel erforschte die Stadt über den subjektiven Blick ihrer BewohnerInnen: Die Arbeit Ansichten/Aussichten auf zwei Städte beschäftigt sich mit dem ganz persönlichen Blick verschiedener Menschen auf den unmittelbaren Außenraum ihres Wohn- bzw. Arbeitsraumes. Der Fokus ist auf die alltägliche "Aussicht aus dem Fenster" gerichtet. Der gewohnte Blick erhält erst mit einer gewissen zeitlichen oder persönlichen Distanz eine Bedeutung und offenbart seine unspektakuläre Schönheit. Eine sehr menschliche Sicht auf beide Städte – jenseits der gängigen touristischen Oberflächen-Wahrnehmungen. Der Ohrenstuhl hat Ohren, der Traumstuhl hat Träume. Und erzählt sie weiter. DerHörstuhl3 von Kathrin Velik ist ein intimer Erzähler, der viele Sprachen spricht und dem Zuhörer unterschiedlichster Sprachen lauschen. Scheinbar schwebend wiegt er die Schaukelnden in die neuen Räume ihrer Träume… Seine textile Haut trug die Geschichten vieler Träumenden. – gute und schlechte, doch die sind längst verblichen, verwaschen mit dem Blau des Stoffmusters. Und das altgediente Material nimmt erneut die Körperregungen und neue Träume auf. Schaukelnd werden sie zu unschuldigen Wesen, die sich nichts als Geborgenheit wünschen und ein wenig Raum für einen Traum… Soundcollage: Eva Ursprung (aus dem Projekt R.E.M. mit Heimo Ranzenbacher) Michael Maier versinnbildlicht in seinen Malereien Symbole und Embleme der k.u.k. Monarchie. Die Vergangenheit lebt in ihren Zeichen weiter. Nur eine starke Gegenwart lässt die Vergangenheit erblassen. Im Wiederbeschwören einer glorifizierten Vergangenheit liegt eine tröstliche Wehmut, die den Österreicher mit dem Kroaten verbindet und so das untergegangene Imperium weiterleben lässt.
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