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Eva Ursprung

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Auf der Suche nach dem Schwammerl

Myriam Thyes / Eva Ursprung

Seit 2012 erforschen die Künstlerinnen Eva Ursprung (Graz) und Myriam Thyes (Düsseldorf/Zürich) den Südrand von Graz. Sie flanieren durch das Viertel, unterhalten sich mit den BewohnerInnen und halten die Geschichten mit unterschiedlichen Medien fest. Bereits zweimal wurden die gesammelten Materialien im Schaumbad ausgestellt, 2014 im Rahmen des steirischen herbst.

2012 erzählte Elisabeth Hufnagl vom Stadtteilzentrum Triesterstraße vom „Schwammerl“: eine pilzförmige Betonskulptur, aus der Wasser austrat. Sowohl ältere Menschen als auch Jugendliche schwärmen noch immer vom wunderbaren Schwammerlbad, an dem man sich im Sommer abkühlen konnte. Plötzlich war es jedoch verschwunden.

Der bekannte Ufologe und Südrand-Forscher Klaus Meßner stellte im Herbst 2014 die Hypothese auf, dass es sich beim „Schwammerl“ ursprünglich um einen UFO-Landeplatz gehandelt habe, der aufgrund des zunehmenden Interesses von Spekulanten an den Brachen im Süden von Graz an einen neuen, versteckteren Ort versetzt wurde.

Thyes und Ursprung begeben sich ab April 2015 auf die Spur des „Schwammerls“. In den Lokalen der Siedlung werden Menschen gebeten, ihnen beim Zeichnen von Phantombildern zu helfen.

Mit der Aussicht auf finanzielle Belohnung sollen die BewohnerInnen zudem angeregt werden, etwaige Fotos vom „Schwammerl“ zu finden und den Künstlerinnen für ihre Recherchen zur Verfügung zu stellen bzw. selbst Zeichnungen anzufertigen. Das beste Foto und die beste Zeichnung wird als Postkarte gedruckt und im Viertel verteilt. Dadurch erhoffen sich die Künstler*innen weitere Hinweise auf das Verbleiben des mysteriösen Objekts.

Schwammerlbad - 1. Erzählung, von Sascha.
2. April 2015, ca. 16 Uhr, Café „Nebenan“, Auf der Tändelwiese, 8020 Graz.

Wir sprechen einen schätzungsweise 40jährigen Mann an, der allein an einem Tisch sitzt und Bier trinkt. Als wir ihn nach dem „Schwammerlbad“ fragen, beginnt er sofort aus seiner Jugend zu erzählen. Während Myriam nach seiner Beschreibung zeichnet, nimmt er zwischendurch selbst einen Buntstift und ergänzt die Zeichnung mit energischen, klaren Strichen. Eva fotografiert die Szene. Sascha erzählt:

Im Park gegenüber des Cafés befand sich vor 20, 25 Jahren ein kleiner Fliegenpilz (hüfthoch) in einem Wasserbecken (alles aus Beton). Wenn Wasser drin war, konnten Kinder im Becken und unter dem Wasser speienden „Schwammerl" planschen und spielen. Über den Pilz drüber lief Wasser, das trat oben aus einer Öffnung in der Mitte des Pilzes aus und regnete ins Becken. Das Becken war ebenerdig und in die Tiefe versenkt. Der Pilz stand im Becken auf einem Sockel, er ragte nur ca. 1 m über den Parkboden heraus. Er war so niedrig, dass nur kleine Kinder darunter stehen konnten.

Wenn kein Wasser im Becken war, haben sie - er, sein Bruder und seine Kumpels, jugendliche Jungs - in dem Becken „Kastltennis“ gespielt. Das war eine Art Fußball mit von ihnen selbst erfundenen Regeln: Sie spielten jeweils zu viert, auf jeder Seite stellte sich ein Junge ins Becken an den Rand. Als Tore galten die Parkbänke ums Becken. Sie spielten gegeneinander: wenn einer den Ball nicht zurückspielen konnte, musste er ausscheiden.

Irgendwann durften die Jungs nicht mehr im Schwammerlbad Fußball spielen, die Kripo nahm ihnen den Ball weg. Sie durften immer weniger machen, fühlten sich eingeengt. Da saßen sie nun (Sascha zeigt eine Haltung mit zusammengezogenen Schultern und hängenden Mundwinkeln), überlegten, was sie tun sollen, und so fingen sie an, Automaten zu sprengen. Dann regnete es Kaugummis, die wurden an die Kinder / Jugendlichen im Quartier verteilt.

Sascha: "Ich finde, die Jugendlichen müssen eine Beschäftigung haben, sonst machen sie nur Blödsinn. Wir hatten Butterfly / Papillon *, sowas. Die alten Frauen mit ihren Fiffis, die durften alles zuscheissen, aber die Kinder duften nichts mehr machen. Um das Schwammerlbad waren Steinplatten, die waren mit der Zeit auch mit Hundekot zugeschissen.“

* Butterfly-Messer / Papillon-Messer: wikipedia

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Schwammerlbad - 2. Erzählung, von älterer Frau und Bäckerin (Juniorchefin des Bäckerei-Cafés)
3. April, ca. 18:30 - 19:30
Cafe Bäckerei Brandl, Herrgottwiesgasse 78, 8020 Graz.

Im Raucherraum des Cafés sprechen wir zwei ältere Damen auf das „Schwammerlbad“ an. Eine von beiden erzählt sofort, wie sie als Kind im Sommer darin planschte und im Winter darauf Schlittschuh lief! Eine Frau habe im Winter ehrenamtlich Wasser ins Becken gegossen, damit eine Eisschicht entstand. Später war sie mit ihrem eigenen Kind im Park und beim Schwammerlbad.

Während wir mit den beiden Damen sprechen und Myriam die Zeichensachen hervorholt, kommt die junge Bäckerin im Dirndl dazu, bittet gleich um Zeichenstifte und ein Blatt - und hat innerhalb von Minuten das Becken mit Schwammerl, Parkbänken und Wiese gezeichnet! Während sie ihr eigenes Kindheitserlebnis mit dem Schwammerlbad erzählt, ergänzt sie ihre Zeichnung. Die Bäckerin ist ganz begeistert und unterbricht ihre Arbeit, bedient nicht mehr. Sie sagt, das Becken war ca. 10 x 15 Meter groß. Sie zeichnet eine Wasserquelle am Rand des Beckens, eine Brunnensäule, aus der Wasser in einem Bogen auf den Pilz spritzte, von wo es dann über den Pilz ins Becken lief.

Später nimmt uns die ältere Frau mit zum Park und erklärt uns, was früher im Park war und was sich verändert hat: Die heutigen Spielgeräte und die zwei künstlichen Hügel gab es noch nicht. Die Wiese war flach. Sie zeigt und die Position des früheren Schwammerlbades und der Parkbänke. Heute gibt es weniger Bänke. Der Tischtennistisch war auch früher schon da. An der Stelle des heutigen Toilettenhäuschens gab es eine Trinkwasser-Zapfstelle: man drückte auf einen Knopf, dann trat oben etwas Wasser aus, das man schlürfen konnte.

Früher habe es mehr Zusammenhalt zwischen den Nachbarn gegeben, man habe oft hier zusammen gesessen, heute gebe es „viele Ausländer“.

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Schwammerlbad - 3. Erzählung, von älterem Mann (Harry)
6. April, ca. 16:00 Uhr, Kebap Auf der Tändelwiese, 8020 Graz.
Im Kebap-Imbiss sprachen wir mit Harry (ehemals Koch und Kellner) und anderen Männern, die einander seit Langem kennen und dort regelmäßig essen und Bier trinken.
Harry beschreibt:  Das Schwammerlbad wurde von Kindern und Jugendlichen bis ca. 16 Jahre benutzt. Ältere schauten höchstens, was die Jüngeren dort tun, waren aber ab 16 mit Ausbildung, arbeiten und Moped-Fahren beschäftigt. Fußball-Spielen im und ums Bad nannten er und seine Freunde "Bankrl-Kicken“, weil die Parkbänke ums Schwammerlbad (je zwei an jeder Ecke) als Tor genutzt wurden. Immer nur EIN Junge hütete das Tor, die anderen ca. drei kickten dagegen. Wenn Wasser im Bad war, spielten sie ums Schwammerlbad herum, wenn kein Wasser drin war, standen sie darin (in den Ecken).
Fast wortgleich übereinstimmend mit Sascha sagt Harry: „Jeden Tag nach der Schule gingen wir zuhause essen und Schulaufgaben machen, danach ging es in den Park und zum Schwammerlbad.“
Der Betonpilz war komplett rot (auch der Strunk). Statt weißer Flecken hatte er viele kleine Löcher, aus denen Wasser austrat. Wenn ihnen beim Fußballspielen heiß wurde, hielten sie den Kopf unter das Wasser, das vom Schwammerl regnete. Sie trugen im Sommer kurze Hosen und Kurzarm-T-Shirts und spielten barfuß (man durfte im Bad keine Schuhe tragen).
Die Mädchen spielten kein Fußball, aber Federball im gleichen Park.


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Tag 1: Donnerstag 2. April 2015, Café Nebenan, Auf der TändelwieseInformant Nr.1 - Sascha: Das "Schwammerl" war ein kleiner Pilz in einem Wasserbecken. Wenn das Becken gefüllt war, konnten Kinder drin spielen.Über den Pilz lief Wasser.Der Pilz war so klein, dass nur Kinder darunter stehen konnten. Wenn kein Wasser im Becken war, haben die Buben drin „Kastltennis“ gespielt (Fußball).Sie haben zu viert gespielt, auf jeder Seite des Beckens stand einer. Wer den Ball nicht zurückspielen konnte, musste ausscheiden.
Das Becken war etwa hüfthoch. Um das Becken waren Parkbänke, die galten als Tor. Am Boden darum waren Steinplatten.Irgendwann durften sie nicht mehr spielen, die Kripo ist gekommen und hat ihnen den Ball weggenommen. Die Jugendlichen durften immer weniger machen, fühlten sich eingeengt und haben angefangen, Kaugummiautomaten zu sprengen. Dann hat es Kaugummis geregnet, die wurden an alle verteilt. Das war vor etwa 20 Jahren.Ich finde, die Jugendlichen müssen eine Beschäftigung haben, sonst machen sie nur Blödsinn.