Am SüdrandCo-Industrielle LebensweltenAusstellung, Projekte im öffentlichen Raum, Rundgänge, Performances
Eröffnung: Sonntag 28.09 um 12.00 Uhr im Rahmen des steirischen herbst.
Dauer der Ausstellung: 27.9. – 31.10. Öffnungszeiten: DI – SO 14:00 – 19:00 und nach Vereinbarung
KünstlerInnen: Martin Behr (AT) / Martin Osterider (AT), Alexandra Gschiel (AT), Elisabeth Gschiel (AT), Joachim Hainzl (AT), Keyvan Paydar (AT/IR), Karin Petrowitsch (AT), Robert Riedl (AT) / Stefan Lozar (AT) / Martina Edelmüller (AT) / Gudrun Lang (AT), Gregor Schlatte (AT), Edda Strobl (AT), Myriam Thyes (CH/DE), Eva Ursprung (AT), Markus Wilfling (AT), zweite liga für kunst und kultur (AT) / Stefan Schmid (AT), Zoncy (MM), Studierende der Universität für angewandte Kunst / Institut für Sprachkunst, Wien, der Universität der Künste / GWK, Berlin, des Hyperwerk, Basel, geleitet von Orhan Kipcak (AT), Stephan Porombka (DE), Thomas Düllo (DE), Karl Flender (DE), Max Spielmann (CH).
After-industrielle Lebenswelten
Das Areal um die ehemalige Stadtgrenze am Südrand von Graz ist je nach Betrachtung ein wildromantisches oder abgesandeltes Viertel, in dem das Unansehnliche und Vernachlässigte Tradition hat. Hier finden sich Industrie-Brachen, abgewohnte Zinshäuser, Kleingärten, ein Gefängnis, Lagerstätten und jene eigenartigen Territorien, die man auf österreichisch Gstettn nennt - ungenutztes Freiland, auf dem sich zwischen wuchernder Vegetation allerhand Abfall ansammelt. Dies ist der Ort, in dem das freie Atelierhaus „Schaumbad“ mit seinen derzeit 42 Mitgliedern soeben eingezogen ist. In Besitz genommen wurden 2000 Quadratmeter einer ehemaligen Limonadenabfüllanlage. In unmittelbarer Nachbarschaft links: eine Müll-Entsorgungsanlage. Die Nachbarschaft rechts: eine Tierkörperverwertung. Vis a vis zum Trost: ein Bach-Idyll mit Wiesenstrand.
Umsehen und einrichten lautet das Programm des Schaumbads am Südrand von Graz. Dies geschieht vielfältig, abhängig vom Temperament der beteiligten Kräfte: Es gibt Projekte von Künstlern, die ihre Kindheit in der Gegend verbracht haben und sich nun sich mit großen Heimkehrer-Gefühlen dem Vertrauten und zugleich recht fremd Gewordenen zuwenden. Andere werden zu Forschenden der Naturgeschichte lokaler Tiere und Pflanzen und die Spezies Mensch. Es wird Projekte geben wie große Umarmungen und andere, wie anatomische Sektionen. Es wird Geschenke geben und Raubzüge, Öffentlichmachungen und Besitzergreifungen. Aber es geht auch um die Herstellung einer übergeordneten urbanistischen Bedeutung für dieses Viertel, das noch nicht einmal einen richtigen Namen hat.
Angekommen in einem Sammelsurium unterschiedlichster Nachbarschaften zwischen Sozialbauanlagen, Gefängnis, Schlachthof, Mülldeponie und Friedhof, migrantischen Gebetshäusern und selten gewordenen Freiräumen, untersuchen die Künstler*innen die Arrangements des Zusammenlebens verschiedener Kraftfelder: die Koexistenz von Waren- und Energieproduktion, (after-)industriellen Produktionsformen, Kunst und Leben in einer lebendigen Industrielandschaft.
Schaumbad am Südrand
Das Schaumbad ist sehr zufrieden direkt zwischen zwei Recyclingunternehmen, Schlachthof und Fernheizwerk angesiedelt. In der Umgebung wird alles abgelagert, was in der Stadt nicht gerne gesehen wird, vom materiellen bis zum sozialen "Abfall": die Justizanstalt Karlau, das drittgrößte Gefängnis Österreichs ist ebenso in diesem Gebiet wie das "Ressidorf", eine Betreuungseinrichtung für Obdachlose. Hier gibt es Laufhäuser (Bordelle), migrantische Gebetsräume, zwei Friedhöfe, sowie vorbildlich angelegte Sozialbausiedlungen. Doch wie lebt es sich hier, zwischen Gefängnis, Mülldeponie, Schlachthof und Zentralfriedhof?
Die Künstler*innen des Schaumbades untersuchen die Arrangements des Zusammenlebens verschiedener Kraftfelder, das Leben und Arbeiten im Industriegebiet. Intention ist die Erfassung einer lebendigen Industrielandschaft, die Koexistenz von Waren- und Energieproduktion, (After-)industriellen Produktionsformen, Kunst und Leben.
Koproduktion steirischer herbst & Schaumbad – Freies Atelierhaus Graz
In Kooperationen mit www.blauebibliothek.at, Ressidorf, Stadtteilzentrum Triester Straße, kunstGarten, Universität für angewandte Kunst / Institut für Sprachkunst, Wien, Universität der Künste / GWK, Berlin & Hyperwerk, Basel
Projekte
Martin Behr/Martin Osterider – „Triester“ Fotoinstallation, Publikation Seit 2003 fotografieren die beiden Künstler auf den Wegen ihrer Kindheit die Triestersiedlung. In dem mittlerweile tausende Fotos umfassenden Bildarchiv werden auf unsentimentale Weise urbane, soziale, kulturelle und gesellschaftspolitische Veränderungen dokumentiert. Zur Ausstellung erscheint Band 9 ihrer Publikationsreihe, die im Rahmen der Camera Austria erschienen ist.
Alexandra Gschiel – „Foto Gerücheküche“ Interaktion, Fotografie. Der leerstehende Kiosk „Foto Parfumerie“ an der Ecke Tändelwiese/Herrgottwiesgasse wird metaphorisch in seiner alten Funktion wiederbelebt: die Bevölkerung wird gebeten, Geruchsspenden ins Geschäft zu bringen. Diese werden in abstrakte, analoge Fotoarbeiten umgesetzt. Die Spender*innen bekommen einen Abzug der Fotos.
Elisabeth Gschiel – „Terminal Triest“ Installation im öffentlichen Raum. Inspiriert von der namensgebenden Hafenstadt Triest installiert Elisabeth Gschiel einen Hafenterminal in einem der Hinterhöfe der Triestersiedlung. Als „Wäsche“ präsentiert sie ihre genähten Bilder auf einer der unzähligen Wäscheleinen. „I do my laundry, therefore I share!“
Sarah Kern – „Meine Liste der letzten Dinge“ Installation im öffentlichen Raum, Ausstellung (Video, Fotos, Texte) Die an Schizophrenie leidende Künstlerin schildert in ihrem Debütroman die Ereignisse des 16. Juni 2041, dem Sterbetag ihres paranoiden Alter Ego, das einer namensgleichen Doppelgängerin an den Südrand von Graz folgt. Die 22-jährige Grazerin wurde vom Schriftsteller Robert Riedl entdeckt und durch das Dokumentar-Team Martina Edelmüller, Gudrun Lang und Stefan Lozar portraitiert.
Keyvan Paydar – „Das steirische Herz“ Performance, Skulpturen. 42 Menschenherzen aus Keramik werden stellvertretend für die 42 Künstler*innen im Schaumbad im Viertel ausgesetzt. Wenn die Herzen gebrochen werden, erschließt sich die eingeschlossene Botschaft.
Karin Petrowitsch – „Was übrig bleibt ist schön“ Fotoarbeiten, koloriert. Portraits von Bewohnern des Ressidorfs in der Herrgottwiesgasse werden durch Mehrfachbelichtungen bzw. Nachkolorierungen abstrahiert und vielschichtig in ihrem Kontext zur Welt präsentiert.
Zoncy – „Bemühen um Gelassenheit“ Raum-Klang-Installation. Die Künstlerin sieht das Leben in seiner Unvorhersehbarkeit als Labor. Auch der Körper ist ein Labor, befeuchtet durch Gefühle. In ihrer Installation soll diese Feuchtigkeit „getrocknet“ werden: Das Publikum wird zu einem kurzen Nickerchen in einem Sarg eingeladen.
Gregor Schlatte – „Biedermeier“ Fotoarbeit, Installation an der Glasfront des Fernheizwerks Puchstraße 57. „Biedermeier“ zeigt Körper und ihren Bezug zur Realität; zu einer Realität, die den politischen Körper an den Rand drängt, ihn partikularisiert, regionalisiert. Der politische Körper hingegen ist konkrete Abstraktheit.
Edda Strobl - "Alle meine Tiere" Fotoarbeiten, Installationen Strobl begibt sich anhand von Straßennamen auf die Spur der Tiere um das ehemalige Jagdschloss von Erzherzog Karl II, der Karl-Au (heute: Strafvollzugsanstalt Karlau)
Myriam Thyes / Eva Ursprung – „Am Südrand“ Raum-Klang-Installation. Die beiden Künstlerinnen setzen ihre 2011 begonnenen Studien zum Südrand von Graz fort. Foto-, Video- und Klangmaterial wird in eine Sammlung von haptischen Fundstücken aus der Umgebung eingearbeitet.
Markus Wilfling – „Fahrraddisco“ Mobile Skulptur im öffentlichen Raum. In Fortführung seiner Disco-Serie baut Wilfling nun eine mobile Diskothek, mit der er Ausflüge in die Umgebung unternimmt.
zweite liga für kunst und kultur/Stefan Schmid – „Triest - Pity of Design“ Interaktionen im öffentlichen Raum, Videoinstallation. Zusammen mit den Bewohner*innen des Südrandes erörtert dieses Team, was in der Triestersiedlung noch fehlt oder was Verbesserungsbedarf hat.
„Ghettodesign am Südrand“ Angehende Schriftstellerinnen und Designer*innen aus Wien, Berlin und Basel arbeiten an der Herstellung übergeordneter urbanistischer Bedeutungen für jenes Areal in dem das Schaumbad angesiedelt ist. Auf dem Programm stehen Analyse und Mystifikation, Geschichte und Geschichten, die Entdeckung und Erfindung eines Spiritus Loci. Das Ergebnis ist eine multimediale Inszenierung. Beteiligt sind Studierende der Universität für angewandte Kunst / Institut für Sprachkunst, Wien, der Universität der Künste / GWK, Berlin, des Hyperwerk, Basel sowie als Lehrende Orhan Kipcak (Wien, Graz), Thomas Düllo, Karl Flender, Stephan Porombka (Berlin), Andrea Iten, Max Spielmann (Basel).
Samstag 4. Oktober im Rahmen der "ORF - Lange Nacht der Museen"von 20:00 - 1:00 Uhr Videoscreenings:
20:00h, 22:00h "BANDEN BILDEN!" Regie: Eva Ursprung und Bernadette Moser (50 Min., 2013) Mit einer Mischung von großzügigen Arbeits- und Präsentationsräumen hatte Graz 2008 erstmals ein großstädtisches Atelierhaus. 2011 musste die Kunst hinaus, "Banden" raumloser Künstler/innen trieben durch die Stadt.
21:00h, 23:00h "KUNST IST EIN WORTWITZ (ROSI VAN BRAUNREIM)" Regie: A. Wildbein & Sol Haring (30 Min., 2014, Uraufführung! Das Schaumbad ist gelandet: 2013 konnten 42 Künstler/innen wieder ein Atelierhaus beziehen, doch es fehlen die Wände! Im Zuge einer Benefizveranstaltung konnten Interviews gekauft werden, es entstand ein vielschichtiger Film über Kunst und Kunstbetrieb. Booklets downloaden
SÜDRAND IN BEWEGUNG:
28.9. um 11:00 Uhr Performativer Stadtteilrundgang (Findet bei jedem wetter statt) Dauer: 1 Stunde (Start: Ressidorf / Herrgottwiesgasse 67).
13.10. 17:00 Stadtteilrundgang mit Joachim Hainzl (findet bei jedem wetter statt) Dauer: ca. 3 Stunden (Start: Schaumbad / Puchstraße, 41).
15.10. 19:00 Kunst im Gespräch mit Eva Ursprung und Dirck Möllmann 20:30 Performativer stadtrundgang mit Klaus Meßner (Findet bei jedem wetter statt) Dauer: ca. 3 Stunden (Start nach „Kunst im Gespräch“ im Schaumbad).
Montag 20.10., 17.00 Uhr Stadtteilrundgang mit Joachim Hainzl, Dauer: ca. 3 Stunden
Treffpunkt: Stadtteilzentrum Denggenhof, Siebenundvierzigergasse 29, 8020 Graz
RUNDGANG JOACHIM HAINZL Der Südrand von Graz wurde in der Vergangenheit stets als Mistkübel der Stadt genutzt. Hier wurden tote Tiere verscharrt, Fäkalien in die Mur geschüttet, stinkiges Tierfutter produziert. Noch immer wird dort der Grazer Müll gesammelt und Tiere werden geschlachtet. Auch Menschen, die als Randgruppen keinen Platz in der Mitte der Gesellschaft haben sollten oder die man gar zu Außenseitern machte, verortet man in diesem Umfeld, sei es in der Karlau, im Feldhof oder im Ressidorf. Auch die Toten fanden und finden hier an der ehemaligen Stadtgrenze im Zentralfriedhof ihren Platz. Durch die Industrialisierung folgten unter anderem das Puchwerk, ArbeiterInnensiedlungen und in der NS-Zeit Siedlungen für SüdtirolerInnen und Arbeitsstätten für ZwangsarbeiterInnen. Bis heute ist das Viertel daher geprägt durch Orte der Verdrängung aber auch Orte, die Freiraum geben, abseits von gestörten NachbarInnen. Und bis heute werden das Viertel und seine Plätze, seine Orte und seine Menschen von dieser markanten Geschichte geprägt. Unser Rundgang für uns zu einigen dieser Orte, die das Image und das Bild des Südrand-Viertels in der Geschichte und bis heute prägen. Während des steirischen herbsts werden wir in unserem Viertel auch unsere Spuren hinterlassen. Diese reichen von künstlerischen bis zu kulturwissenschaftlichen Interventionen, sei es durch Markierungen an der Gefängniswand, durch zerbrochene Herzen am Weg, Wäscheleinen in der Siedlung oder Gesprächen im Ressidiorf ...
Foto Gerüche Küche von Alexandra Gschiel Wiedereröffnung des Kiosk Ecke Herrgottwiesgasse / Auf der Tändelwiese Bitte bringt Gerüche aus der Gegend, erzählt die Empfindungen, die ihr damit verbindet und ich mache daraus ein Foto! Öffnungszeiten: Mittwochs 16:00 - 19:00 Uhr Samstags 14:00 - 17:00 Uhr
Finissage: Freitag 31.10. (vom kunstGarten ins Schaumbad)
17:30 Keyvan Paydar bricht und montiert in einer interaktiven Aktion letzte Herzen im kunstGarten, Payer-Weyprecht-Straße 27
19:00 Mit Markus Wilfling und der Fahrraddisco vom kunstGarten ins Schaumbad.
20:00 Resümee der zweiten liga für kunst und kultur, Abschlusspräsentationen von Alexandra Gschiel, Markus Wilfling, Edda Strobl, Performance von Zoncy / Eva Ursprung.
Beteiligte KünstlerInnen: Alexandra Gschiel, Edda Strobl, Elisabeth Gschiel, Eva Ursprung, Gregor Schlatte, Gruppenfoto, Joachim Hainzl, Karin Petrowitsch, Keyvan Paydar, Markus Wilfling, Martin Behr / Martin Osterider, Orhan Kipcak, Robert Riedl, Stefan Schmid, zweite liga für kunst und kultur
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